Karneval der Rollenspielblogs September 2017 – Ausgezeichnete Wahl!

Der Karneval der Rollenspielblogs ist eine monatliche Aufforderung, sich zu einm rollenspiel-relevanten Thema zu äußern, jeweils ausgerichtet von einem Blog, der das Thema vorgibt und die Arbeit des Zusammentragens übernimmt.

Im Monat September wurde der Karneval ausgerichtet von Clawdeen spielt, und zwar zu einem Thema, das zur bevorstehenden Bundestagswahl passt.

Ausgezeichnete Wahl!

Es ist natürlich kein Zufall, dass ich diesen Blogbeitrag am Tag der Bundestagswahl verfasse.

Seit Wochen werde ich in den „normalen“ Medien wie auch in meiner Timeline bei Facebook mit mehr oder weniger ausgefeilten politischen Statements bombardiert, die entweder das Ziel haben, mich von einer bestimmten politischen Agenda zu überzeugen oder davon, dass eine bestimmte politische Richtung einfach gar nicht geht (ganz zu schweigen von den Menschen, für die eh alle Politiker Verbrecher sind und die „denen da oben“ nicht ihre Legitimation geben wollen, also auch nicht wählen gehen).

Es ist normalerweise nicht meine Art, mich zu politischen Themen zu äußern, aber so viel sei mir gestattet:

Geht wählen!

Wir leben in einer Demokratie, was bedeutet, dass die Mehrheit der Bürger mit ihrer Wahl (direkt oder indirekt) das politische Leben bis zur nächsten Wahl mitbestimmt.

Nun mag es manchem so erscheinen, als könnte seine Wahl nichts beeinflussen oder als gäbe es nicht die richtige Partei für die eigene politische Einstellung, aber auch darum geht es eben in einer Demokratie: Kompromisse zu akzeptieren, sich vor allem aber zu entscheiden und trotz Bedenken mitzumachen.

Eure Partei hat eh keine Chance? Dann aber auch, weil zu viele Leute wie ihr zu Hause bleiben und sie eben nicht wählen.

Ich bin in den letzten Tagen immer wieder auf ein Zitat gestoßen, dass meine Überzeugung sehr gut wiedergibt:

Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.
Voltaire (1694-1778)
(möglicherweise auch Evelyn Beatrice Hall, wie man mir andernorts versicherte, aber der Inhalt ist mir hier wichtiger als die Quelle)

Und ich bin froh, dass ich in einem Land lebe, in dem ich mitentscheiden kann, in dem ich aber vor allem meine Meinung äußern darf, wenn ich es will. Das ist nicht selbstverständlich in der Welt, wiewohl es das sein sollte.

Ja, es ist erschreckend, welche Abgründe sich bei manchen politischen Diskussionen auftun, aber trotzdem müssen auch solche Debatten möglich sein.

Das alles bringt mich jedoch zu einer weiteren Frage, um den Bogen zum Fokus des Karnevals zu schlagen:

Gehört Politik ins Rollenspiel?

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein absoluter Fan davon bin, reale Ereignisse, seien sie nun historischer oder aktueller Natur, in meine Texte einfließen zu lassen. Die Wirklichkeit schreibt die besten Geschichten, und wenn mir diese Geschichten einen Teil meiner Arbeit abnehmen, dann bin ich nur froh darum.

Aus dem, was die Realität mir anbietet, dann einen gelungenen Plot oder Hintergrund zu erstellen, ist natürlich eine ganz andere und viel weiterreichende Aufgabe. Ich muss interpretieren, dazu erfinden, pervertieren, romantisieren, verschwörungstheoretisieren, ganz, wie es zum jeweiligen Projekt passt.

Und allzu oft stoße ich dabei in Bereiche vor, in denen es politisch wird. 

Cthulhu spielt in den Zwanziger Jahren, und gerade in Deutschland, zu Zeiten der Weimarer Republik, stoße ich immer wieder auf politische Themen, verquere Ansichten, die heute kaum noch nachzuvollziehen sind, Hoffnungen auf eine bessere Welt, die sich nicht erfüllen, den Tanz auf dem Vulkan.

Aber auch in reinen Fantasy-Welten kann ich in das Thema Politik hinein stolpern. Wenn in einem solchen erdachten Reich die Menschen aus dem Nachbarland fliehen, weil die Horden des Dämonenfürsten dort einfallen, wie verhält sich mein eigenes Volk? Dürfen die Flüchtlinge auf Milde und Freundlichkeit hoffen, oder gibt es eine Bewegung, die bereit ist, den Opfern des Krieges zugunsten des eigenen Landes die Hilfe zu verweigern, die Grenzen zu schließen? Wer wird die Oberhand gewinnen, und wo werden die Charaktere sich aufstellen? Stellen Sie sich einer solchen Fraktion entgegen, oder schließen sie sich ihr an?

Muss ich Politik im Rollenspiel haben?

Nein, natürlich nicht.

Auch in dem oben geschilderten Fall können meine Charaktere versuchen, sich aus diesem Streit heraus zu halten. Sie können einfach nur Abenteurer sein, auf der Suche nach dem nächsten Schatz. Eventuell machen sie sich auch auf den Weg, um den Dämonenfürsten zu besiegen und das Problem so zu lösen.

Wer einen unproblematischen Rollenspielabend verleben möchte, in dem es einfach nur darum geht, das Böse zu besiegen oder den eigenen Ruhm zu mehren, der kann das ruhigen Gewissens tun. Schließlich soll das Hobby vor allem Spaß machen, und nicht jeder möchte mit mehr oder weniger existenziellen Fragen konfrontiert werden, wenn er mit seinen Freunden am Spieltisch sitzt.

Auf der anderen Seite haben solche Fragen ein enormes erzählerisches Potenzial. 

Ein Spielleiter kann ein Dilemma erzeugen, bei dem die Charaktere sich entscheiden müssen, wie die Welt, in der sie spielen, sich in Zukunft entwickelt. Es gibt keine einfachen Lösungen für solche komplexen Situationen, das liegt in der Natur der Sache.

Wer sich in dieses erzählerische Minenfeld begibt, läuft trotzdem schnell Gefahr, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen, Lösungen zu erwarten, die dem eigenen Denken entsprechen. Wer aber seinen Spielern die Wahl zwischen Pest und Cholera aufzwingt, muss sich nicht wundern, wenn sie dieses Problem vielleicht anders auflösen, als es einem selbst in den Sinn gekommen ist.

Es kann passieren, dass sich auf einmal reale Vorurteile und Ängste in einer Spielsituation manifestieren und dass alle plötzlich voller Verwunderung das eigene Verhalten am Spieltisch beobachten.

Allein deshalb kann es interessant sein, sich vor Augen zu führen, welche gesellschaftlichen und damit auch politischen Folgen die eigenen Handlungen im Spiel für die jeweilige Hintergrundwelt haben könnten. Und vielleicht bekommt man dadurch ein anderes Bild von der Situation im wahren Leben.

Vielleicht.

Denn letztendlich ist es immer eine persönliche Entscheidung, wie man sein Spiel erfahren möchte, und damit vollführen wir wieder den Kreisschluss mit dem Anfang:

Jeder soll nach seinen eigenen Vorstellungen spielen, genauso, wie er sich in der Öffentlichkeit seinen Überzeugungen entsprechend äußern darf, sofern er niemand anders damit verunglimpft.

So, wie es eben nur in einer Demokratie möglich ist.


Alle Beiträge zum Karneval der Rollenspielblogs September 2017 findet ihr übrigens bei Clawdeen spielt.

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