The Green Box of Games – Ein Interview mit Jørgen Brunborg-Næss

Der norwegische Datenanalyst Jørgen Brunborg-Næss war auf der SPIEL ’16 mit seinem ersten Spielprojekt zu Besuch.

Dabei handelte es sich um eine recht unscheinbare Schachtel mit dem Aufdruck The Green Box of Games, gefüllt mit Plättchen, Karten, kleinen Plastikwürfelchen und weiterem Material, jedoch ohne irgendwelche Regeln.

Und obwohl er keinen eigenen Stand hatte, konnte er doch alle 100 vorhandenen Exemplare verkaufen.

Manche Leute fanden dieses Projekt eher befremdlich, andere waren begeistert davon.

Inzwischen läuft ein Kickstarter, um eine neue Version zu finanzieren, doch davor konnte ich ein Interview mit dem Designer über sein Projekt führen.


Zunächst einmal, was ist die Green Box of Games, und warum sollte ich sie mir kaufen?

Die Green Box of Games ist ein ganzes Spielsystem in einer einzigen Schachtel. Sie enthält ein generisches Set an Komponenten, mit denen man viele verschiedene Spiele spielen oder auch ganz neue Ideen entwickeln kann.
Zunächst einmal kannst du damit viele verschiedene Spiele in einer kleinen Kiste mit dir herum tragen, und dann kannst du auch selbst kreativ werden und dir ganz neue Spiele mit den vorgegebenen Materialien einfallen lassen.

Normalerweise macht man ein Spiel und sucht sich dafür das notwendige Material, du hingegen produzierst Spielkomponenten ohne irgendwelche Regeln in der Schachtel. Warum?

Es waren eigentlich zwei verschiedene Auslöser, nämlich Faszination und Frustration. 
Eine ganz besondere Faszination hat auf mich immer ein ganz normales Kartenblatt ausgeübt, das ich für die größte Errungenschaft im Bereich Spieledesign halte. Leute mögen darüber streiten, ob Schach oder Go das beste Spiel der Welt ist, aber beide können mit einem normalen Kartenblatt nicht mithalten, wenn es um die Flexibilität, die Zugänglichkeit und die Anzahl möglicher Spieler geht. Aus diesem Grund wollte ich einen Satz an Materialien schaffen, der die Flexibilität und Zugänglichkeit eines Kartendecks hat, dabei aber Spiele und Erfahrungen ermöglicht, die den modernen Brettspieler mehr befriedigen. 
Die angesprochene Frustration kommt hingegen von den „10 in 1”-Spielesammlungen, die man aktuell in Norwegen und wahrscheinlich auch anderswo kaufen kann. Jede Familie in Norwegen hat eine von diesen Schachteln gekauft, und sie enthalten normalerweise das Material und die Regeln für Schach, Dame, Mühle, Halma und sechs Varianten von Spielen nach dem Motto Würfeln-und-Laufen. Das Spielerlebnis ist lausig, aber sie verkaufen sich trotzdem wie blöde. Darum wollte ich eine Spielesammlung haben, die für die Laufkundschaft die gleiche Anziehungskraft besitzt, dabei aber qualitativ hochwertige Spielerlebnisse ermöglicht.

Wie hast du die Materialien in der Schachtel ausgewählt? Hattest du irgendwelche Spiele im Hinterkopf, oder hast du einfach genommen, was dir sinnvoll erschien?

Ich hatte keine bestimmten Spiele im Kopf.
Die ersten Elemente, bei denen ich mir sicher war, waren die Plättchen. Sie waren eine offensichtliche Wahl, um viele verschiedene Brettspiele erschaffen zu können. 
Ich wollte außerdem absolut generische Spielsteine, passend zu den Plättchen, und so kam ich auf die Plastikwürfel in vier verschiedenen Farben. 
Der komplexeste Teil des Spielmaterials war das Kartendeck, das mehrere Variationen durchlebte, bevor es in der aktuellen Zusammensetzung vorlag. Ich brauchte Karten, um Spiele mit Zufallselementen und Variationen zu entwickeln, ohne mich dabei auf Würfel allein zu verlassen, und ich wollte, dass die Karten eine Verbindung mit den anderen Komponenten herstellten, also den Symbolen auf den Plättchen und den Farben der Würfel.
Ziffern hinzuzufügen war eine ganz natürliche Entwicklung, aber ich wollte eine ungleichmäßige Nummernverteilung, um die Karten auf verschiedene Arten in einem Spiel gleichmäßig verteilen zu können.

Wie wurde das Material in der Green Box of Games hergestellt?

Bisher war das alles eine Ein-Mann-Show, was auch heißt, dass ich das ganze Design der ersten Auflage selbst zu verantworten habe. 
Die eigentliche Herstellung erfolgte durch The Game Crafter, einen Print-on-demand-Drucker, der sich auf Brettspiele spezialisiert hat.

Welche Erfahrungen hast du bei dieser Art der Produktion gemacht?

Was ich bei The Game Crafter entdeckte, war, dass ich das ganze Design selbst machen konnte. 
Man lädt einfach nur die Daten auf einen Server, und man kann einen einzelnen Prototypen herstellen, oder zehn Boxen, um sie mit seinen Freunden zu teilen, oder 100, um sie auf einer Messe zu verkaufen. 
Diese Art der Herstellung ist zu teuer, um damit Geld zu verdienen, aber man muss nicht viel Aufwand investieren, um etwas in der Hand zu haben.

Wie sind die über 40 Spielregeln entstanden, die man inzwischen von deiner Website Green Box of Games herunterladen kann?

Diese Spiele sind vor allem entwickelt oder entdeckt worden, indem wir mit den fertigen Komponenten herumgespielt haben. 
Die ersten Spiele waren traditionelle Spiele wie Dame, Mensch-ärgere-dich-nicht und Backgammon, danach Abwandlungen von Manhattan und Cartagena, bevor ich damit anfing, eigene Ideen zu verwirklichen. 
Ich glaube, mein persönlicher „Moment der Wahrheit”, als ich wusste, dass ich ein gutes System hatte, war der Augenblick, als ich das erste wirklich eigenständige Spiel entwarf, das auf den Ideen meines neunjährigen Sohns basierte. 
Das Spiel heißt Grenade Salad, und es ist immer noch einer meiner Lieblinge. Es ist ein leichtes Kampfspiel, bei dem die Soldaten (die Würfel) zufällig auf den Tisch geworfen werden. Mit dem ganzen Tisch als Spielfläche nutzt man die verschiedenen Symbole auf den Karten, um verschiedene Aktionen zum Angreifen oder zum Einsetzen von Verstärkung durchzuführen. 
Dieses Spiel hatte nichts mit dem zu tun, was ich mir bis zu diesem Zeitpunkt mit den vorhandenen Komponenten ausgemalt hatte, und es zeigte mir wirklich, welche verschiedenen Spielerfahrungen man damit erschaffen konnte.

Gehören die Spiele, die du adaptiert hast, zu deinen Lieblingen, oder ist es einfach das Beste, was du mit dem vorhandenen Material machen konntest?

Eine Kombination aus beidem. Inzwischen kann ich ein anderes Spiel nicht mehr ansehen, ohne gleich zu überlegen: „Kann ich das auch mit der Green Box of Games spielen?
“Aber die meiste Arbeit, wenn auch die mit dem größten Spaßfaktor, ist das Entwickeln eigenständiger Spiele für das System; davon habe ich aktuell bereits 14 fertiggestellt.

Gab es eigentlich irgendwelche Beschwerden wegen der neuen Versionen bestehender Spiele, die auf deiner Website auftauchen?

Noch nicht…😉
Ich denke, die „Reichweite” der Green Box of Games ist noch ziemlich begrenzt, und bislang ist wohl keiner der etablierten Verleger oder Autoren darauf aufmerksam geworden.
Wann immer ich Regeln von anderen Spielen borge oder anpasse, ist es mein Ziel, das sehr offen zu tun, um deutlich zu machen, woher meine Inspiration stammt. Zugleich versuche ich meine Adaptionen als Tribut an das eigentliche Spiel zu präsentieren.

Wenn ich eine Idee für ein neues Spiel hätte oder für die Adaption eines bestehenden Spiels, würdest und könntest du diese Regel auf deiner Website zu präsentieren?

Absolut! Meine größte Hoffnung ist, dass eine Gemeinschaft um die Green Box of Games entsteht, in der viele Leute ihre eigenen Spiele kreieren und auch teilen.

Du hast jetzt deine erste SPIEL hinter dir; wie erfolgreich war dieser erste Schritt für dich?

Ich betrachte meinen „ersten Schritt“ als sehr erfolgreich. Ich habe alle 100 Boxen auf der Messe in Essen verkauft und so mein eingesetztes Geld wieder eingenommen. Außerdem habe ich großartige Rückmeldungen von vielen Seiten bekommen.
Diese "Very First Edition" der Green Box of Games ist weiterhin erhältlich bei The Game Crafter. Sie werden auch gerne eine einzelne Box produzieren, es ist halt nur nicht besonders billig.

Wie geht es weiter mit der Green Box of Games?

Sie ist ganz klar als Langzeit-Projekt geplant. Der nächste Schritt ist auf jeden Fall der aktuell laufende Kickstarter, mit dem ich ein größeres Publikum erreichen und die Produktion von einigen tausend Einheiten finanzieren möchte.

Soll es auch Erweiterungen des bestehenden Materials geben?

Natürlich denke ich auch über Erweiterungen nach. Ich finde aber, es geht auch um die Schönheit des Einfachen, und die Kreativität blüht besonders auf, wenn sie in engen Grenzen gehalten wird. Ich denke, man hat schon eine Menge Möglichkeiten mit dem aktuell vorhandenen Material, und man läuft immer Gefahr, dass ein Spiel manchen Leuten nicht zugänglich genug erscheint, wenn es zu komplex wird.

Der Kickstarter für Green Box of Games ist unter der folgenden Verknüpfung zu finden:
https://www.kickstarter.com/projects/787460250/green-box-of-games-game-system-in-a-box


Hinweis:
Die Veröffentlichung dieses Interviews erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Spielerei.
Die vollständige Version erscheint in der kommenden Juli-Ausgabe.

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