Lovecraftesque – Zug 4 – Der Beobachter

Fortsetzung der Erzählung von nurderTim (Übersicht unter Lovecraftesque – Das Blogspiel)

Transkript einer beschädigten Audio-Datei in einem verborgenen Ordner auf Raphael Duchamps Handy

[unverständlich]

Ich habe lange gewartet, hier in der Dunkelheit, umgeben von Schwärze und Stille.
Meine Aufgabe ist es, zu beobachten, mit allen Sinnen zu erfühlen, wie sich die Dinge zutragen.

[unverständlich]

Ich ruhe in der Stille, bis etwas geschieht. Ich spüre kein Alter, kein Vergehen, keinen Durst.

Und keinen Hunger. Vor allem keinen Hunger.

Ich halte fest, was geschieht. Für den Rufer. Den Auserwählten, der der Welt die Neue Ordnung bringen soll. 

Die Form, wie ich es festhalte, bestimmt der Rufer. Ein Bild, ein Schriftstück, eine Figur, eine Datei… ich mache die Welt nicht. Ich beobachte sie nur. Und ich gebe dem Rufer, was er will.

Und es ist die Entscheidung des Auserwählten, wie das Wissen um [unverständlich] weitergegeben werden soll.

[unverständlich]

Es ist an der Zeit… die Nebelpforte hat sich geöffnet, der Weg ins Herz des Berges ist frei. Ich kann es spüren, so wie ich den Rufer spüre, der sich nähert. Stolpernd. Schwankend. Schwach. 

Und hungrig. Oh ja, so hungrig. Das ist gut.

[unverständlich]

Er hat Feuer bei sich. Kleine Flammen. Er sieht die Bilder des alten Volkes, die Bilder, die nie verblassen werden, bis unser Herr wieder zurückgekehrt ist.

Er redet. Redet mit sich selbst. Oder… doch mit dem Ding in seiner Hand? Ich war lange nicht mehr in der Welt da draußen. War ich es jemals? Bin ich eins mit dem Berg?

Ich weiß es nicht mehr. Wusste ich es jemals? Ich muss nichts wissen. Ich beobachte.

Wie lange drang der Rufer nicht bis hierher vor? Wie lange war der Hunger nicht groß genug?

[unverständlich]

Es brennt. Er hat ein Feuer entzündet.

Licht. Wie lange habe ich das nicht mehr auf mir gespürt? Es verschwindet in mir, als sei es nie da gewesen. Was würde er jetzt sehen, wenn er hierherblicken würde?

Doch er sieht seine Hand an. Einen seiner Finger. Wie ein Kind, das die Brust der Mutter sieht. Voller Liebe und doch voller Gier.

Dann beißt er zu.

Hunger!

Ich spüre den Geschmack in seinem Mund, die Befriedigung. Sie strahlt wie Erregung zu mir herüber. Ich nehme sie auf, sauge sie in mich hinein. Ich spüre, wie sie sich in Schmerz verwandelt, in glockenhelle Pein. Aber meine Erregung wird noch größer. Das Gefühl lässt mich erschauern.

Ja.

Er ist bereit. Vielleicht ist er der Auserwählte. Der, auf den wir warten, der der Welt die Neue Ordnung bringt.

Ich gleite aus meinem Versteck hervor. Auf ihn zu. In seinen Sichtkreis. Ach, Menschen… wie können sie sich nur auf etwas so Trügerisches verlassen wie auf ihr Augenlicht?

Er fühlt meine Nähe. Dreht sich zu mir, erfasst das, was sein Geist von mir verstehen kann.
Ob er es wagt, zu mir zu kommen? Oder muss ich mich ihm noch weiter nähern?

Ich würde gerne wissen, was er jetzt sieht. Was er hört. Was er riecht. Doch das weiß ich nicht.

Ich kann nur beobachten.

Das Blogspiel geht weiter bei … 

Von der Seifenkiste herab …

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